NoMaNi-Stiftung |
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Dr. Norbert und Maria Nix, Köln |
Von der Gottesmutter zur Muttergottes.
Die Transformation der Frauen- und Heilgöttin Isis zur barmherzigen Mutter Maria als Bespiel für Metamorphosen von heilenden und helfenden Himmelsmächten in der Spätantike
Heilsgedanken und Heilgötter sind ein bedeutsames Beispiel, wie sich über die Zeiten großer Umwälzungen und Brüche in der Geschichte bestimmte Vorstellungen substantiell beinahe unbeschadet erhalten haben. Die Heilgottheiten bzw. heilmächtigen Entitäten sind dabei ein frappierender Indikator für Wandel und Kontinuität in enger Verbindung. Dies beruht nicht zuletzt oft auf der Volksfrömmigkeit und dem Volksglauben, der sich gerade gegenüber ideologisch und intellektuell vorgegebenen Meinungen als recht resistent erweist. Mitunter wird aber, oft wohl aus gutem Grunde, von der Obrigkeit auch nur ein gewisses vordergründiges oder formales Bekenntnis zu bestimmten Prinzipen verlangt, unter welcher Decke Althergebrachtes und Altvertrautes unvermerkt fortbesteht.
Dies ist auch eine typische Grundkonstituente des Imperium Romanum, das grundsätzlich Gottheiten gerade der unterworfenen oder angeschlossenen Völkerschaften vergleichsweise wenig eingreifend behandelte. Denn persönliches Seelenheil und individuelle Heilserwartung waren in Rom Privatsache – sofern man den formalen Staats- und Kaiserkult mindestens pro forma mitvollzog und etwa an den üblichen Riten und Ehrenbezeugungen teilnahm, die weniger als Religion im theologischen Sinne, sondern eher als eine Art „Bürgereid“ zu verstehen waren. Dies spiegelt etwa der Briefwechsel zwischen dem jüngeren Plinius und Kaiser Trajan über den Umgang mit Christen wieder. Wer dann tatsächlich auch die formalen Ehrerbietungen verweigerte, hatte Unannehmlichkeiten zu erwarten. Die spätere christliche Grundhaltung des Abendlandes hat dazu geführt, daß diese allerdings bis hin zu blutigen Christenverfolgungen reichenden Maßnahmen besonders hervorgehoben wurden und so ein verzerrtes Bild des Imperiums entstehen konnte.
Zweifellos war die Zeit des aufkommenden Christentums eine gewaltige religiöse und geistige Umbruchphase für Rom und sein Weltreich. Lange Zeit eine eher unterschwellige Konkurrenz zu heidnischen Kulten, entwickelte sich der neue Glaube seit den Toleranzedikten von Nikomedia und Mailand zu einer ernstzunehmenden Alternative, bis dann mit der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion durch Theodosius den Großen das Heidentum seinerseits in die Defensive gedrängt wurde. Da das Christentum sich besonders in seiner Hinwendung an Bedürftige, Kranke, Ausgestoßene und unterprivilegierte Bevölkerungsschichten als erfolgreich erwies, wurden spät auch seitens der Heiden entsprechende Engagements initiiert. Gerade der Asklepios-Kult, der zeitweilig eng mit dem Kaiserkult verknüpft wurde, spielte hier noch einmal eine große Rolle. Zumindest rückten in dieser Spätzeit die heidnischen Heilgottheiten plötzlich in ein verstärktes, auch und gerade öffentliches, Interesse. Daß zudem die Verwurzelung althergebrachten Glaubens im Herzen der Hilfesuchenden zu verzeichnen und so nicht leicht auszulöschen war, versteht sich.
So ist es nicht verwunderlich, daß sich zahlreiche Traditionen und Eigenheiten heidnischer Gottheiten und Kulte in erstaunlicher Weise – mit veränderten Vorzeichen – in die christliche Ära bzw. Religion hinüberretteten. Die Christen selbst kamen solchen Entwicklungen entgegen, indem etwa wichtige vorchristliche Feiertage in den Festkalender der sich entwickelnden Kirche übernommen wurden. Da aufgrund der strengen Einheit in der Dreiheit (Trinität) eine Aufnahme vorchristlicher Inhalte in die Person der Gottheit selbst theologisch wie rituell faktisch ausgeschlossen war, erfolgte die entsprechende Rezeption auf der Ebene der Heiligen. Diese Fürsprecher waren zudem den Menschen zweifellos näher und leichter zugänglich und damit ein annäherndes Pendant zu den „kleinen“ und regionalen Heilgöttern der Antike, die da ihre Verehrung genossen, wo der offizielle antike Kult die Menschen nicht ansprach oder sogar ausschloß.
Die altägyptische Frauengottheit Isis genoß als Heilerin und Schützerin im Sinne der „Isis Medica“oder „Isis Salutaris“ im Imperium Romanum, etwa in ihrem Stammland und entlang des Rheines, große Verehrung. Gerade hier findet sich später eine besonders herzliche Marienverehrung. Bisweilen ist sogar von der Übernahme von Isistempeln als Marienkirchen die Rede. Die Muttergottheit wurde gleichsam von der Muttergottes abgelöst. Insofern läßt sich sogar ein recht komplexer Rezeptionsvorgang vom alten Ägypten ins römische Imperium (durchaus teilweise im Sinne einer interpretatio Romana der Isis) und dann weiter in die Christenheit konstatieren.
Ziel dieses Projektes ist es, schriftliche Quellen zu diesem Vorgang zu sichten und (religions)geschichtlich, vor allem aber medizinhistorisch, auszuwerten. Dabei sind christliche Polemiken gegen den Isiskult und seine Formen der Heilung Kranker ebenso zu berücksichtigen wie entsprechende literarische Gegenangriffe und Apologien altgläubiger Autoren. Letztlich muß dabei beachtet werden, inwieweit bei der schrittweisen dogmatischen Konsolidierung der heiligen Maria, auch im Verlaufe der frühen Konzilien, Heilaspekte und entsprechende Wunder berücksichtigt wurden bzw. typische Elemente, Titulaturen und Riten der Isis umgewidmet oder umgedeutet wurden. Später sollen die schriftlichen Quellenbefunde anhand archäologischer wie auch numismatischer Zeugnisse überprüft und ergänzt werden. Für zahlreiche heilige Stätten der Isis bzw. Isis Medica/Salutaris wird nämlich eine spätere Marienverehrung angenommen. Die vielfach eher mutmaßlichen und zerstreuten Hinweise müssen anhand der Quellen und Bodenfunde aufgearbeitet und zusammengeführt werden. Eine Zusammenschau und kritische Würdigung dieser Befunde ist in jedem Falle bislang ein Desiderat.
Bearbeiter: Privatdozent Dr. med. Ferdinand Peter Moog M.A.
Projektstart: 01.06.2008
Stand: 18.08.2008 | Home |